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Arnold Böcklin
Serge Brignoni
Giorgia O´Keeffe

 

 

Serge Brignoni (1903 - 2002)

Radiations, Acryl auf Leinwand, 1975, 87 x 98 cm

«Ich bin eigentlich ein geborener Plastiker; ich bin Maler geworden, weil man mir Farben geschenkt hat. Aber ich sehe die Malerei nicht so schnell und so gut wie die Plastik. Ich sehe bei der Plastik auf den ersten Blick, ob sie gut oder schlecht ist. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass ich Südseeplastik gesammelt habe. In der Zeit, in der ich keine Bildhauerei gemacht habe, war dies die Art, sich mit schönen Plastiken abzugeben. Zu sehen, dass sie gut sind, war fast, wie selbst eine gute Plastik zu bauen... Aber durch das Sammeln bin ich in meiner Malerei nicht beeinflusst worden. Im Gegenteil, es war eine äusserliche Bestätigung. Dann war es eben auch eine Art, Plastik zu sammeln, anstatt Plastik zu machen. Ich habe es fertig in der Form gesehen, genau so, wie ich es selbst gemacht hätte. Man war immer hinter etwas her und immer war ich befriedigt, wenn ich etwas Neues nach Hause brachte. Es war ein Genuss, ein Malergenuss, die Befriedigung eines Empfindens» (HANS RUDOLF REUST 1993, 17).

Serge Brignoni, der Maler, Plastiker und Sammler aussereuropäischer Kunst, wurde am 12. Oktober 1903 in der Nähe von Chiasso geboren. 1907 zog die Familie nach Bern. Seine erste künstlerische Ausbildung erfolgte bei Viktor Surbek, später studierte er an der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg. Von 1923 an war Brignoni hauptsächlich in Paris tätig, zuerst an der Akademie Andre Lhöte, aber auch in Italien und Spanien und wurde zu einem wichtigen Vertreter der Avantgarde der dreissiger und vierziger Jahre. Gleich zu Beginn seiner Zeit in Paris hat Brignoni eine afrikanische Plastik sudanesischer Herkunft erstanden, die er zwar nach kurzer Zeit wieder an einen Galeristen verkaufte, die ihm jedoch den Anstoss zur intensiven Auseinandersetzung mit ethnographischer Kunst gab.

Die daraus entstehende Sammlertätigkeit wurde so, neben seinem künstlerischen Schaffen und ihn in der Formsuche seiner skulpturellen Kreativität bestätigend, zu seinem zweiten Lebenswerk. Die künstlerische Laufbahn des jungen Brignoni erreichte 1927 einen ersten Erfolg mit der Teilnahme in der Ecole de Paris an der Biennale von Venedig. In Paris stand er besonders den Surrealisten nahe und gewann in den dreissiger Jahren weitreichende Anerkennung sowie Kontakte zu Künstlern wie Bänninger, Brancusi, Giacometti, Lipchitz, Paalen und Richier.

Der Zweite Weltkrieg bewirkte einen starken Einbruch in seinem Schaffen. 1940 war Brignoni gezwungen, Paris zu verlassen und nach Bern zurückzukehren; ein grosser Teil seiner in Paris zurückgelassenen Bilder wurde während des Krieges zerstört. Anfängliche Schwierigkeiten in Bern, welches der Gegenwartskunst ablehnend gegenüberstand, überwand Brignoni mit einer Neuorientierung zu surreal-metaphysischen Kompositionen, die zum Teil auch Landschaftselemente erkennen lassen.

Dieses Zugeständnis an die schweizerischen Verhältnisse führte zu weiteren Erfolgen und reger Teilnahmetätigkeit an Gegenwartskunst-Ausstellungen, wie z.B. bei der «Gruppe 33» in Basel. Brignonis Sammlertätigkeit mit aussereuropäischer Kunst brachte ihn in Kontakt mit verschiedensten Museen, so auch mit der Ethnographischen Abteilung am Bernischen Historischen Museum. Erste Spuren dieses Kontakts lassen sich bereits 1936/1937 ausmachen, als Brignoni dem Bernischen Historischen Museum 28 Spinnwirtel aus Kolumbien und eine Steinskulptur aus Nordwestindien schenkte. Zwischen 1941 und 1950 folgten weitere Objekte aus Afrika, Südamerika und Bali, die das Museum eintauschte oder ankaufte, gesamthaft 70 Gegenstände. In dieser Zeit arbeitete Brignoni auch bei der Neugestaltung der Südseeausstellung im Ostflügel im Erdgeschoss des Museums mit.

Für die eigene Sammlung hat sich Brignoni auf den Ozeanischen Raum, vor allem auf Melanesien konzentriert und hier eine bedeutende Objektsammlung zusammengetragen, die besonders auch durch ihre ästhetisch-künstlerische Qualität überzeugt. Diese Sammlung von über 600 auserlesenen Objekten ist seit 1989 im Musen delle Culture Extraeuropee in der Villa Heleneum in Lugano der Öffentlichkeit zugänglich, einem Museum, das zwar gerade den für den Donator wichtigen ästhetischen Aspekten Rechnung trägt, in der Ausstellung aber auch den historischen und sozio-kulturellen Kontext vermittelt. Zu seinem neunzigsten Geburtstag wurde Serge Brignoni mit Ausstellungen in Basel und Lugano sowie in der Kunsthalle Bern, wo eine Reihe von neuesten Gemälden und Plastiken zu sehen war, geehrt.

Quelle: Thomas Psota

Biographien - Bernisches Historisches Museum 1996

Lit.: URS DICKERHOF und BERNIIARD GIGER (Hrsg.): Tatort Bern. Museum Bochum, Kunstsammlung, 23.10.-28.11.1976. Bern 1976. - HANS RUDOLF REUST: «ich bin einer, der sich nicht gerne lang weilt...» Ein Gespräch mit Serge Brignoni. In: HANS RUDOLF REUST (Hrsg.): Serge Brignoni. Bern 1993, 10-19. - Berner Kunstmitteilungen, Nr. 289, März/April 1993. Bern 1993.

Chiasso TI 1903-2002 Bern

 

1919 Besuch der Gewerbeschule und Aktklasse der Malschule Viktor Surbek in Bern. 1922/23 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg. 1923-1940 in Paris. Steht zuerst unter dem Eindruck Picassos: kubistische Versuche. 1924 Besuch der Malschule André Lhote. Mit Max von Mühlenen 1924 in Epinay-sur-Seine, 1925/26 in Südfrankreich. Nimmt 1927 mit der «Ecole de Paris» an der Biennale in Venedig teil. Seit 1927 auch als Plastiker tätig. 1928/29 wird er auf die «Pittura Metafisica» Giorgio de Chiricos und auf die Südseeplastik aufmerksam. Freundschaft mit Alberto Giacometti, Jean Arp u.a. 1929-1932 in Collioure: Freundschaft mit Otto Abt, Walter Bodmer und Walter Kurt Wiemken. 1935 Teilnahme an der «Exposition Internationale du Surréalisme» in Kopenhagen (ebenso 1936 in London, 1938 in Paris und Amsterdam, 1940 in Mexiko, 1942 in New York, 1948 in Santiago de Chile).

1936 Teilnahme an der Ausstellung «Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik» im Kunsthaus Zürich. Im Sommer 1937 mit Wiemken in der Bretagne. 1938 Ausstellung mit der «Groupe de l'Atelier 17» (mit Max Ernst, Alberto Giacometti und Stanley W. Hayter) in Maastricht. Sommer 1938 und 1939 in Cassis. 1940 Rückkehr in die Schweiz, lässt sich in Bern nieder. Seither Teilnahme an allen Weihnachtsausstellungen in der Kunsthalle Bern. Wiederholte Aufenthalte in Paris. Mitglied der Künstlergruppen «Abstraction-Création», «Allianz» und der «Gruppe 33». 1954-1956 Lehrer für angewandte Malerei an der Kunstgewerbeschule Zürich.

Nach einem Aufenthalt im Winter 1925/26 in Mailand kehrt Brignoni nach Paris zurück. In den folgenden Jahren wird er zum Surrealisten. Am Anfang dieser Entwicklung steht eine intensive Beschäftigung mit der pittura metafisica von Georgio de Chirico. Um 1934 hat er sich seine spezifische surrealistische Formensprache erarbeitet, die bis heute seine Malerei bestimmt. Charakteristisch sind vegetative und embryonale Motive, die tierischen und menschlichen Formen begegnen oder durch Metamorphose in solche übergehen (Brignoni hat mehrere Werke mit dem Titel «Hommage à Arcimboldo» geschaffen!) . Solche Begegnungen und Metamorphosen finden oft unter Wasser statt und werden in die schwebende Bewegung der Meeresvegetation eingebunden. Brignoni selbst: «Ich empfand eher das Pflanzliche als das Tierische. Es waren tierische Pflanzen, die Klebrigkeit von fleischfressenden Pflanzen, Unterwasser-Wesen» (zit. in: Giuseppe Curonici: S.B. , Basel 1980, S.23). Bezugnehmend auf den Eindruck von Tentakeln, Venen, Ganglien und ähnlichem, dgh Brignonis Gebilde vermitteln, sprac André Breton von einer «visceralen» (eingeweideartigen) Malerei.

In Paris wohnt Brignoni in der Nachbarschaft von Max Ernst, er kennt de Chirico und ist mit Alberto Giacometti befreundet. Er gehört, mit Kurt Seligmann, Alberto Giacometti, Meret Oppenheim und Gérard Vulliamy zu jenen ganz wenigen Schweizer Künstlern, die in direktem Kontakt zum Breton-Kreis und zum Pariser Surrealismus stehen. Dabei ist Brignoni aber an dessen «écriture automatique» wenig interessiert - seine Malerei bleibt immer kontrolliert - bestimmend für seinen Surrealismus sind die Form-Analogien und die freie Ideen-Assoziation.

In jene Übergangszeit zum Surrealismus hin fallen einige Aufenthalte in Südfrankreich.

Seit 1928 verbringt er mehrmals die Sommermonate in Collioure in den französischen Pyrenäen, wo er sich mit den Basler Malern Walter Bodmer, Otto Abt und Walter Kurt Wiemken B befreundet. Ihnen vermittelt er die neuesten Kunstentwicklungen, die im Zentrum Paris im Gange sind. Dabei ist er aber nicht nur der Gebende, sondern empfängt auch: Unsere Strandlandschaft von 1930 steht deutlich auch in Beziehung zur Malerei der «Gruppe 33», deren nachmalige Begründer jene Basler sind und mit der zusammen Brignoni ausstellen wird. Das kleinformatige Bild ist ganz aus tonigen Plänen aufgebaut. Rudimentäre Tiefenraumangaben werden zurückgenommen und in die flächige Bildwirklichkeit übersetzt. Raum und Fläche durchdringen sich. Die freie Raumbehandlung gehört zu den Charakteristiken dieser Malerei. Die hellen Figuren werden treffender als «anthropomorph» denn als «menschlich» beschrieben und stehen den gleichzeitig entstandenen weissen Kalksteinund Marmorskulpturen nahe. Diese Figurendarstellung ist massgeblich geprägt durch die frühe Idolskulptur der Kykladen, die Brignoni zusammen mit Alberto Giacometti entdeckt und für die er sich begeistert. Der Maler hat sich mit unserem Bildgegenstand lange beschäftigt: «Personnes ä la plage» steht zwischen «Composition» von 1927, einer Vorstufe dazu, und «Rencontre» von 1934, einer Weiterentwicklung der beiden Kompositionen (alle abgebildet im Kat. Ausst. S. B., Kunsthaus Zug 1981, unpaginiert).

Quelle Werke des 20. Jahrhunderts - Von Cuno Amiet bis heute

Aargauer Kunsthaus Aarau - Sammlungsktalog 2

Beat Wismer - Paul-André Jaccard

Aarau 1983

Lit.: Kat.Ausst. Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik, KunsthausZürich 1936. -Artisti ticinesi, S. B. (Bianco e Nero), Lugano 1953. - KLS, XX. Jh., Bd. l, 1958-1961, S. 130/131. - Kat.Ausst. S. B., Kunsthalle Bern 19 64. - Kat. A usst. Künstler, Sammler. Werner und Nelly Bär, S. B., Emile Chambon, Carl Roesch, Kunsthaus Aarau 1965. - Kat. Ausst. S. B., Kunstmuseum Bern 1969/70. Kat. Ausst. S.B., Galleria Matasci, Tenero 1979 (mit Text von S. B.). -Kar. Ausst. S. B., Kunstsammlung der Stadt Thun 1979 (mitAusstellungsverzeichnis). -Kat. Ausst. Neue Sachlichkeit und Surrealismus in der Schweiz 1915-1940, Kunstmuseum Winterthur 1979. - Giuseppe Curonici: S. B., Editions Galerie «zem Specht», Basel 1980 (mit Bibliographie und Ausstellungsverzeichnis). -Kat. Ausst. S. B., KunsthausZug 1981. (Texte von John Matheson und Oswald Petersen.) - LzSK, 1981, S. 49. - Marcel Joray: Schweizer Maler, Neuchâtel 1982. - Irene Meier- S. 8., in: Gruppe 33, Editions Galerie «zem Specht», Basel 1983, S.217-225. Annemarie Monteil:: S. B.: Der Wille zur Form, in: Basler Magazin (=Wochenendbeilage der Basler Zeitung), Nr. 22, 3. Juni 1978, S. 9 («Composition, Plage», Farbabb.). - Giuseppe Curonici: S.8., Basel 1980, S. 102, («Composition sur la plage», Farbabb. 10). - Ausst.: Kat. Ausst. Hans Arp, S. B., Hans Schiess, Kurt Seligmann, Jacques Düblin, Kunsthalle Basel 1932, Nr. 45 («Personnes ä la plage»). - Kat. Ausst. S. B., Kunsthaus Zug 1981, Nr. 18 («Composition sur la plage»).

15. November 2003,  02:11, Neue Zürcher Zeitung

Permanent bewegt, unerschütterlich

Serge Brignoni in der Villa dei Cedri in Bellinzona

 

Den Räumen in der Villa dei Cedri entsprechend, ist es eine intime Ausstellung geworden, die Serge Brignoni (1903-2002) zum hundertsten Geburtstag ehrt. Rund 170 Exponate illustrieren das über achtzig Jahre währende Schaffen dieses Malers und Plastikers, der wie nur wenige Schweizer in der Pariser Kunstszene Fuss fasste, gleichzeitig aber immer Distanz hielt zu den Avantgarden, die er mit verkörperte.

Sein Curriculum ist über eine lange Strecke eine Erfolgsgeschichte: 1903 bei Chiasso geboren und in Bern aufgewachsen, kommt Serge Brignoni nach Studienaufenthalten in Berlin und Mailand 20-jährig nach Paris, wo er sich mit den neusten Strömungen vertraut macht, sowohl Bretons «La Révolution surréaliste» als auch Le Corbusiers «L'Esprit nouveau» verfolgt, völlig unbekannt mit Joan Miró ausstellen kann und gleich von der renommierten Galeristin Jeanne Bucher als Geistesverwandter de Chiricos aufgenommen wird. Ein früher Kenner und Sammler afrikanischer, dann vor allem ozeanischer Skulptur, entdeckt er zusammen mit Alberto Giacometti die Kunst der Kykladen und setzt den Eindruck dieser elementaren Abstraktheit wohl noch vor dem Bergeller in eigenen Werken um. Er fühlt sich den Schweizern in Paris verbunden, gleich welcher Richtung, Giacometti und Meret Oppenheim, Karl Geiser, Louis Conne, Otto Charles Bänninger und dessen Frau Germaine Richier, verkehrt aber auch mit Brancusi, Lipchitz, Braque, Derain, Lurçat, Picasso, Masson und schliesslich auch mit André Breton, der seine Kunst als «vicéral» und «animal- végétal» begrüsst, was einer Segnung gleichkommt. Der Kritiker Michel Seuphor, ein grosser Verteidiger der Abstraktion, zeigt sich von seiner «gravité enfantine» und «honnêteté» berührt und bringt ihn mit der internationalen Künstlervereinigung «Abstraction-Création» in Kontakt. Brignoni schliesst sich auch der kämpferischen Basler «Gruppe 33» an und darf sich rühmen, den Gründern Otto Abt, Walter Bodmer und Walter Kurt Wiemken, mit denen er mehrere Sommer in Collioure verbrachte, den Surrealismus nahe gebracht zu haben. Während eines Spanien-Aufenthalts entsteht 1933 seine erste Eisenplastik. Die von Julio González angeregte, elegant geschwungene «Weibliche Figur mit Kind» wird auch die erste Eisenplastik der Schweizer Kunst.

Serge Brignoni «erobert» (wie er selbst sagte) in den dreissiger Jahren Paris und nimmt in der Schweiz an den wichtigsten - freilich seltenen - Manifestationen progressiver Kunst teil. Mit dem Einmarsch der Nazis in Paris hat der Aufschwung ein Ende. 1940 kehrt Brignoni mit seiner Frau, der chilenischen Malerin Graciela Aranis, in die Schweiz zurück. In Bern niedergelassen, wo niemand auf ihn gewartet hat, passt er sich dem herrschenden Geschmack mit konventionelleren Landschaftsbildern an, entwickelt die eigene Bildsprache aber unbeirrt weiter. Seine Offenheit und Beweglichkeit drücken sich vor allem in seinem plastischen Werk aus, im Experimentieren mit neuen Werkstoffen, was - in Übereinstimmung mit einer Tendenz der fünfziger Jahre - zu einer Dynamisierung der Form und Aufweichung der Konturen führt.

In der Villa dei Cedri sind sämtliche Schaffensphasen ausgebreitet, von den unspektakulären Anfängen in Bern über das Lehrjahr in Berlin, wo er mit dem deutschen Expressionismus in Berührung kam und den ersten Klees begegnete, über seine Annäherung an die Pittura metafisica und das entscheidende Eindringen in die Welt eines biomorphen Surrealismus bis zu seinen letzten plastischen Experimenten.

Permanent bewegt und immer wieder neue Techniken entdeckend, liess sich Brignoni mehr von Zufall als von Konzepten leiten. Der einstige Schüler von André Lhote gab sich zwar keiner «écriture automatique» hin, bewahrte vielmehr die Kontrolle über seine Kompositionen, überliess sich aber, mindestens in seiner Malerei, einer Gestik, die Farben und Formen organisch wogen und weben lässt. Es geht hier um so Allgemeines wie Werden und Vergehen, um Metamorphosen, die meist um das Menschenbild kreisen.

Der von der ozeanischen Plastik faszinierte Brignoni lebte auch seinen Hang zur Geometrie aus, überschritt die Grenze zur Ungegenständlichkeit aber kaum. In einzelnen Stein- und Holzskulpturen der dreissiger Jahre wie «Figure embryonnaire», «La cage», «Tête» oder «Erotique végétal» gelangte er zu einer zeichenhaften Verdichtung, die sie zu Ikonen des Schweizer Surrealismus werden liess. Kein Wunder, knüpfte er im Alter mehrfach an diese Leistungen an.

Er sei ein «sympathisant» der Surrealisten gewesen, kein «partisan», erklärte Brignoni sein Fehlen bei deren Aktivitäten und Manifesten. Der Tessiner hielt sich von Ideologien und Programmen fern, und so findet man in seinem Werk denn auch nur vage Spuren einer Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen. Das Geheimnisvoll- Abgründige seiner unter dem Einfluss de Chiricos gemalten, noch weitgehend figurativen Bilder aus den zwanziger Jahren, von denen in Bellinzona erstmals eine ganze Reihe zu sehen ist, löst sich in seinem «ganzheitlichen» Surrealismus auf. Brignonis Malerei tendiert je länger, je mehr zur Harmonie und erschöpft sich zuweilen im Unverbindlich-Dekorativen. Das plastische Werk ist uneinheitlicher, aber pointierter, vermag immer wieder zu überraschen, nicht zuletzt durch seinen Schalk.

Caroline Kesser

Bis 4. Januar 2004. Zur Ausstellung ist im Benteli-Verlag eine umfassende Monographie erschienen, herausgegeben von Manuela Kahn-Rossi und Steffan Biffiger, Deutsch Fr. 78.-, Italienisch Fr. 48.-.

Lebenslauf:

 

Serge Brignoni (* 12. Oktober 1903 in Chiasso ; ? 6. Januar 2002 in Zollikofen \ Bern ) war ein Maler, Plastiker und Sammler.

Geboren in Chiasso, zogen seine Eltern 1907 nach Bern um. Erste künstlerische Ausbildung bei Victor Surbek , anschliessend an der Akademie der bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg . Ab 1923 lebt und arbeitete Brignoni in Paris an der Akademie von Andre Lothe . Aufbau einer Sammlung von aussereropäischer Kunst .

Der Zweite Weltkrieg erzwang einen starken Einbruch in seinem Schaffen. 1940 war Brignoni gezwungen, Paris zu verlassen und wieder nach Bern zurückzukehren; ein grosser Teil seiner in Paris zurückgelassenen Bilder wurde während des Krieges zerstört oder ging verschollen. In Bern, welches der Gegenwartskunst ablehnend gegenüberstand, kämpfte Brignoni mit grossen Problemen, die er mit einer Neuorientierung zu surreal-metaphysischen Kompositionen , die zum Teil auch Landschaftselemente erkennen lassen, überwand.

Brignoni ist ein wichtiger Vertreter der Avantgarde des 20. Jahrhunderts , er verstarb im Jahre 2002 in Bern.

Prosperitée, 1970

Kugelschreiber auf Papier

21 x 14,8 cm